Der Käufer einer Wohnung darf mehr Schallschutz erwarten als die Mindestwerte der DIN 4109 bieten.
OLG München, Urteil vom 19.05.2009, AZ: 9 U 4198/08

Besprochen, kommentiert und veröffentlicht durch
Rechtsanwalt Dr. Michael Kögl,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Ein Bauträger pries eine Wohnanlage in der Verkaufsphase mit einem mehrseitigen hochwertigen Prospekt an. Dabei betonte er den Aspekt von Ruhe und Komfort in attraktiven, ruhigen Stadtwohnungen. In den Kaufverträgen verpflichtete er sich allgemein zur Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik. Im Hinblick auf den Schallschutz sah die Baube-schreibung vor, dass die Werte der DIN 4109, Tabelle 3, in der noch aktuellen Fassung von 1989 eingehalten werden. Entsprechend plante und errichtete der Bauträger die gesamte Wohnanlage. Die Schalldämmmaße entsprechen gerade noch den Mindestanforderungen der DIN 4109 Tabelle 3 (1989). Die Eigentümergemeinschaft betrachtete dies als Man-gel und klagte auf Mängelbeseitigung. Mit Verweis auf die Baubeschreibung und die Einhaltung der Mindestwerte der DIN bestritt der Bauträger einen Mangel, verlor allerdings nach der ersten Instanz nun auch die Berufung.

Das OLG München bestätigte, dass der Käufer einer Wohnung regelmäßig von einem üblichen Qualitäts- und Komfort-standard ausgehen kann. Dem werden die Mindestanforderungen der DIN 4109, die nur dem Schutz vor unzumutbaren Lärmbelästigungen dienen, nicht gerecht. Vielmehr kann sich der Käufer an den Schalldämmmaßen der VDI-Richtlinie 4100/10 Schallschutzstufe II bzw. der DIN 4109 Beiblatt 2 orientieren. Insoweit verwies das OLG auf die Entscheidung des BGH vom 14.06.2007 (AZ: VII ZR 45/06). Der Bauträger muss eine gegenüber den Mindestanforderungen spürbare, deutlich wahrnehmbare Erhöhung des Schallschutzes verwirklichen. Dabei half dem Bauträger auch nicht, dass er sich in der Baubeschreibung ausdrücklich (nur) zur Einhaltung der Mindestwerte der DIN 4109 verpflichtet hatte. Vielmehr rügte das OLG, dass der Bauträger an keiner Stelle des Vertrages darauf hinwies, dass das übliche Niveau unterschrit-ten werden soll. Das Gericht betonte, dass der Unternehmer grundsätzlich die anerkannten Regeln der Technik einzu-halten hat. Diese können auch mit einer Beschaffenheitsvereinbarung ohne ausdrücklichen Hinweis und Einverständnis des Erwerbers nicht unterschritten werden. Gegenstand jeder Beschaffenheitsvereinbarung ist vielmehr, dass der Unter-nehmer nach den anerkannten Regeln der Technik arbeitet

Anmerkung

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es entspricht allerdings ständiger Rechtsprechung, dass DIN-Normen nur privat-rechtliche unverbindliche Empfehlungen sind und den anerkannten Regeln der Technik zwar entsprechen, aber auch hinter diesen zurück bleiben können. Letzteres gilt bei einem üblichen Komfortbau im Schallschutz für die Mindestanfor-derungen der DIN 4109 Tabelle 3. Es ist zu beachten, dass diese DIN aus dem Jahre 1989 stammt. Bereits wenige Jah-re später wurden schon Vorschläge zur Überarbeitung mit höheren Anforderungen entwickelt. Die Ansprüche an den Schallschutz haben sich zudem verändert.
Das OLG bekräftigt die Rechtsprechung des BGH und erweitert diese für den allgemeinen Wohnungsbau. Diese deutli-che Tendenz sollten Bauträger bei der Errichtung von Wohngebäuden, aber auch beratende Sachverständige berück-sichtigen. Erstaunlicherweise verweisen Bauträger auch in neuen Verträgen – meist in der Baubeschreibung – noch im-mer unwirksam auf die Mindestwerte der DIN 4109. Der Unternehmer kann sich jedoch durch eine Baubeschreibung nicht freizeichnen, wie dieses Urteil zeigt. Ein Ausweg dürfte nur sein, dem Käufer ausdrücklich die Tatsache und Kon-sequenz der Abweichung vor Augen zu führen. Ob der Kunde dies akzeptiert ist allerdings die Frage.

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