Der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB bei Bauzeitverlängerung

Aufsatz Rechtsanwalt Wolfgang Heinicke
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Im Hinblick auf die notwendige Preisgestaltung, insbesondere im Zusammenhang mit dem öffentlichen Bauauftrag (Vergabe an das preiswerteste Angebot) geraten Entschädigungsansprüche wegen Bauzeitverlängerung immer mehr in den Fokus der Betrachtung. Die Geltendmachung dieser Ansprüche ist jedoch kompliziert und bedarf eines hohen Dokumentationsaufwandes.

Die Geltendmachung dieses Anspruchs ist unabhängig davon möglich, ob die Geltung der VOB/B vereinbart ist oder nicht. Ist sie vereinbart, so bestimmt § 6 Abs. 6 VOB/B, dass neben dem Schadensersatzanspruch ein Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB unberührt bleibt, sofern eine ordnungsgemäße Baubehinderungsanzeige erfolgt ist.

Die Voraussetzung für diesen Anspruch besteht also zunächst darin, dass eine den Anforderungen der VOB/B entsprechende Baubehinderungsanzeige an den Auftraggeber versandt wurde.

Weitere Voraussetzung des § 642 BGB ist, dass sich der Auftraggeber in Annahmeverzug befunden hat. Der wesentliche Vorteil gegenüber einem Anspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B besteht darin, dass der Auftraggeber auch dann in Annahmeverzug gelangt, wenn ihn an der Verzögerung kein Verschulden trifft. Voraussetzung ist lediglich, dass er einer ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht nachkommt und der Auftragnehmer die ihm obliegende Leistung dem Auftraggeber gegenüber ausdrücklich wörtlich anbietet.

Dies bedeutet, dass neben der Baubehinderungsanzeige gleichzeitig das Angebot der eigenen Leistung erfolgen muss.

Ist dies erfolgt, so steht dem Auftragnehmer eine angemessene Entschädigung für die Dauer zu, während derer er nicht arbeiten kann und um die sich die Bauzeit verlängert.

Probleme bereitet dieser Anspruch im Zusammenhang mit der Durchsetzung.

Nach der herrschenden Rechtsprechung setzt die Geltendmachung dieses Anspruchs nämlich eine nachvollziehbare Darlegung des Annahmeverzugs und der damit verbundenen Auswirkungen auf den Bauablauf voraus (zuletzt KG, Urteil vom 19.4.2011, Aktenzeichen 21 U 55/07). Die Bauzeitverlängerung ist dabei möglichst konkret darzulegen. Es muss eine baustellenbezogene Darstellung erfolgen, wie die Baustelle ohne Baubehinderung abgelaufen wäre, wie sie nunmehr tatsächlich aufgrund der Baubehinderung abgelaufen ist und welche finanziellen Konsequenzen sich hieraus ergeben.

Erfolgt eine Bauzeitverlängerung aufgrund der Erteilung von Nachträgen, so ist die hieraus resultierende Bauzeitverlängerung in die Kalkulation des Nachtrags einzubeziehen.

Häufig wird es sich so verhalten, dass eine Bauzeitverlängerung teilweise aus Nachträgen, teilweise aus Gründen erfolgt, die der Auftragnehmer zu vertreten hat und teilweise aus Gründen erfolgt, die der Auftraggeber zu vertreten hat. Dies erfordert es, dass jede einzelne Verzögerung genauestens dokumentiert wird. Man muss also zum einen festhalten, an welchem Tag eine Baubehinderung eingetreten ist, wann die Baubehinderungsanzeige und das Angebot der eigenen Leistung erfolgt ist, um welchen Zeitraum sich eine Verzögerung ergeben hat und welche wirtschaftlichen Konsequenzen dies für den Auftragnehmer hat.

Allein ein baubetriebliches Gutachten, in dem die Bauzeitverlängerung auf der Grundlage beliebig herausgegriffener Einzelaspekte des Geschehens und anhand einer arbeitswissenschaftlichen Schätzung errechnet wird, ist nicht geeignet, den Anspruch zu begründen (Kammergericht Berlin, a. A. O.).

Diese Darstellung ist ausgesprochen schwierig. Man muss sozusagen den regulären Bauzeitenplan unter Berücksichtigung von Verzögerungen aufgrund von Nachträgen und eventuelle Verzögerungen, die durch den Auftragnehmer verursacht wurden erstellen. Hierbei kann man eventuell auf einen vereinbarten oder durch die Bauleitung erstellten Bauzeitenplan zurückgreifen, wenn dieser realistisch ist. Dies stellt den Soll-Ablauf der Baustelle dar.

Dem muss nun gegenübergestellt werden, wie die Baustelle tatsächlich abgelaufen ist. Man muss für entsprechende Nachweise sorgen und muss genauestens dokumentieren, welche Kosten entstanden sind und welche tatsächlichen Auswirkungen sich für den Bauablauf ergeben haben (Ist-Ablauf). Man muss also einen Bauzeitenplan über den tatsächlichen Ablauf der Baustelle ermitteln und darstellen.

Wenn man diese Hürde überwunden hat, muss der Schaden als solcher dargestellt werden. Das Thema, welche Kosten hier zu erstatten sind, ist in der Rechtsprechung hoch umstritten. Insbesondere stellt sich die Frage, wie mit den allgemeinen Geschäftskosten zu verfahren ist, die leistungsbezogen für eine Baustelle kalkuliert sind. Problematisch kann dies insbesondere sein, wenn die allgemeinen Geschäftskosten nicht bezogen auf die Baustellendauer zugrundegelegt wurden und in die Kalkulation eingeflossen sind. Dies beruht darauf, dass die Leistung als solche schließlich tatsächlich erbracht wird, lediglich über einen längeren Zeitraum oder zu einem anderen Zeitpunkt.

Geltend gemacht werden können aber eventuell länger vorzuhaltende Baustelleneinrichtungen, wie auch sonstige zeitabhängige Baustellengemeinkosten, eventuell auch zusätzlicher Aufwand dafür, dass wegen Baubehinderung an anderer Stelle weiter gearbeitet werden musste und Geräte umgesetzt werden mussten, das Personal nicht im vollem Umfang oder nicht mit der gleichen Effizienz eingesetzt werden konnte. Diese Ansprüche müssen aber konkret beziffert werden.

Wir werden uns zukünftig weiter im Rahmen unseres Newsletters mit dieser Thematik befassen und Beispiele an die Hand geben, wie man dieses Thema möglichst konkret in den Griff bekommen kann.

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