Pflicht zur Ausführung und Preisbildung
Aufsatz von Rechtsanwalt Wolfgang Heinicke
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Weit verbreitet ist die Auffassung, dass bei einem Bauvertrag der Auftraggeber beliebige zusätzliche Leistungen verlan-gen könne und dass der Auftragnehmer verpflichtet sei, diese Leistungen auszuführen, zumindest soweit sein Betrieb hierauf eingerichtet ist. Ferner herrscht die Auffassung vor, dass in diesem Fall die Vergütung für die zusätzliche Leis-tung immer in Anlehnung an die Urkalkulation für die zunächst beauftragte Leistung zu bilden sei.

Grundsätzlich ist es richtig, dass im VOB-Vertrag der Auftraggeber berechtigt ist, Anordnungen über die Änderung der vereinbarten Leistung zu erteilen. Nach § 1 Nr. 3 VOB/B ist der Auftraggeber berechtigt, Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen.

Zu differenzieren ist allerdings bei zusätzlichen Leistungen. Nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der ver-traglichen Leistung erforderlich werden, hat der Auftragnehmer auf Verlangen des Auftraggebers auszuführen, wenn sein Betrieb auf derartige Leistungen eingerichtet ist. Dies ergibt sich aus § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B. Dies bezieht sich also nur auf Leistungen, die wirklich erforderlich sind, um die vertraglich geschuldete Leistung fertig zu stellen.

Andere Leistungen, die nicht der zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich sind, muss der Auftragneh-mer nicht ausführen. Vielmehr können dem Auftragnehmer derartige andere Leistungen, die nicht zur Herstellung der ur-sprünglich vereinbarten Leistung erforderlich sind, nur mit seiner Zustimmung übertragen werden. Dies ergibt sich aus § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B. Dies bedeutet also, dass der Unternehmer nicht in jedem Fall verpflichtet ist, eine zusätzliche Leistung auszuführen.

Dies hat ganz wesentliche Auswirkungen auf die Preisgestaltung.

Ist der Auftragnehmer nämlich nicht verpflichtet eine derartige Leistung zu übernehmen, weil sie für die Erstellung der ursprünglich beauftragten Bauleistung nicht erforderlich ist, kann er die Übernahme dieser Leistung von einer gesonder-ten Preisvereinbarung abhängig machen. Dabei ist er nicht an die Urkalkulation gebunden. Da der Bauherr in der Regel darauf angewiesen ist, dass derartige Leistungen durch den Auftragnehmer ausgeführt werden, befindet sich der Unter-nehmer insoweit in einer günstigen Position.

Ist eine Preisvereinbarung nicht getroffenen, so ist für diese nicht erforderlichen, jedoch vom Unternehmer übernomme-nen Arbeiten strittig, ob dieser die übliche Vergütung verlangen kann und an die Urkalkulation nicht gebunden ist, oder ob die Preisbildung auf der Basis der Urkalkulation erfolgen muss. Eine einhellige Meinung hat sich hierzu nicht heraus-gebildet.

Eine Auffassung, die vertreten wird, differenziert hierbei danach, ob die Parteien nur eine Erweiterung des bisherigen Auftrags herbeiführen wollten oder ob ein neuer Auftrag erteilt wurde. Wird nur der bisherige Auftrag erweitert, so ist die-se Auffassung der Meinung, dass eine Bindung an die Urkalkulation bestehen wird. Dies wird namentlich wohl immer dann der Fall sein, wenn ein solcher Zusatzauftrag als "Nachtrag“ bezeichnet wird. Denn dieser Begriff bezeichnet wohl nur eine Erweiterung des bereits bestehenden Vertrags. Voraussetzung dafür, dass eine Bindung an die Urkalkulation nicht vorliegt wäre dann, dass die zusätzliche Leistung entweder als "Anschlussauftrag“ oder als „Folgeauftrag“ bezeich-net wird.

Diese Differenzierung leuchtet nicht ein. Denn die herrschende Auffassung stimmt zumindest insoweit überein, dass ein derartiger Auftrag, der für die Herbeiführung des geschuldeten Leistungserfolgs nicht notwendig ist, kein Fall des § 2 Nr. 6 VOB/B ist. Wenn dies aber unstrittig ist, dann kann er auch nicht in preislicher Hinsicht an die Urkalkulation gebunden sein. Gleichwohl hat sich der obigen Auffassung das Oberlandesgericht Düsseldorf in einer Entscheidung angeschlossen und hat in Fällen, in denen die zusätzliche Leistung nur als Erweiterung der bisherigen Leistung anzusehen ist, die Auf-fassung vertreten, dass diese der erforderlichen Zusatzleistung gleichzustellen ist mit der Konsequenz, dass eine Bin-dung an die Urkalkulation vorliegt.

Aus diesem Grunde ist dem Unternehmer zu empfehlen, bei zusätzlichen Aufträgen, die zur Erfüllung des geschuldeten Bauerfolgs nicht notwendig sind, deutlich zu machen, dass es sich um einen gesonderten Auftrag handelt. Dies kann dadurch geschehen, dass die oben genannten Begriffe „Folgeauftrag“ oder „Anschlussauftrag“ verwendet werden. Fer-ner ist zu empfehlen, dass vor der Ausführung derartiger Leistungen eine Preisvereinbarung getroffen wird.

Problematischer wird die Situation, wenn eine Einigung über den Preis nicht zustandegekommen ist, jedoch der Preis ausdrücklich angesprochen wurde. Dann stellt sich die Frage, ob überhaupt eine Einigung und damit überhaupt eine ver-tragliche Absprache zustandegekommen ist. Eine gleichwohl ausgeführte Leistung wäre trotzdem zu vergüten und zwar über die Grundsätze der ungerechtfertigten Bereicherung. Über diese Grundsätze wäre dann wiederum der übliche Wert als Vergütung zu leisten.

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