OLG Frankfurt, Urteil vom 19.09.2018, Aktenzeichen 29 U 152/17

Sachverhalt:

Der Bauherr beauftragte ein Bauunternehmen mit der Errichtung einer Stahlwangenwendeltreppe mit hölzernen Trittstu-fen in seinem Wohnhaus. Die unterste Treppenstufe wurde um 6 mm niedriger ausgeführt als in der bei Abnahme gel-tenden DIN-Norm vorgeschrieben. Der Bauherr forderte daraufhin den Bauunternehmer dazu auf, diesen Mangel zu be-seitigen. Der Bauunternehmer lehnte dies aus Kostengründen ab. Um die Mängel an der streitgegenständlichen Treppe zu beseitigen, müsste die Treppe insgesamt erneuert werden. Der Bauunternehmer verklagte den Bauherren auf aus-stehenden Werklohn. Der Bauherr rechnete gegenüber dem Werklohnanspruch des Bauunternehmens mit einem An-spruch auf Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung auf. Zu Recht?

Entscheidung:

Das OLG hat der Klage des Bauunternehmens auf ausstehenden Werklohn stattgegeben und die Aufrechnung des Bau-herren zurückgewiesen. Nach Ansicht des OLG ist die Treppe grundsätzlich mangelhaft, da zum Zeitpunkt der Abnahme die Tritthöhe der ersten Treppenstufe nicht innerhalb der Toleranzen der entsprechenden DIN-Norm lag. Der Bauunter-nehmer kann die Nacherfüllung jedoch gemäß § 635 Abs. 3 BGB wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern. Das OLG begründet die Unverhältnismäßigkeit damit, dass die Höhenabweichungen beim Begehen der Treppe kaum wahrnehm-bar und nicht störend sind. Dem gegenüber steht ein erheblicher Mangelbeseitigungsaufwand, nämlich die komplette Neuerrichtung der Stahlwangenwendeltreppe. Im Rahmen der Abwägung der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung hat das OLG auch berücksichtigt, dass die einschlägige DIN-Norm nach der Abnahme dahingehend geändert wurde, dass die vorliegende Höhenabweichung nicht zu beanstanden ist.

Praxishinweis:

Das OLG liegt mit der Aussage zur Mangelhaftigkeit auf der Linie der ständigen Rechtsprechung, wonach es zur Beurtei-lung eines Mangels auf den Zeitpunkt der Abnahme ankommt. Beachtlich ist jedoch die Aussage des OLGs, dass im Rahmen der Abwägung nach § 635 Abs. 3 BGB (Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung) zu berücksichtigen ist, ob sich die anerkannten Regeln der Bautechnik nach der Abnahme geändert haben. Sollte die Werkleistung nun tatsächlich den nach Abnahme geltenden anerkannten Regeln der Technik entsprechen, ist das Werk zwar weiterhin mangelhaft, jedoch kann dies zu einer Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung führen.

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