Stellt die Abweichung von Herstellervorgaben immer einen Mangel dar?
OLG Brandenburg, Urteil vom 15.6.2011, Aktenzeichen 1 U 144/10

Der Auftraggeber hatte dem Auftragnehmer den Auftrag erteilt, einen Steg an einem See zu bauen. Vereinbart war die Verwendung eines bestimmten Holzes. Ein Jahr nach Einbau kam es zu Beanstandungen, die zu einer prozessualen Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten führten.

Im Rahmen dieses Verfahrens erfolgte eine Begutachtung durch einen Sachverständigen, der feststellte, dass das Material entgegen den Herstellervorgaben verschraubt und nicht ausschließlich mit Montage-Clips befestigt worden war. Aus diesem Grunde könne es zu einer Rissbildung kommen, weil das Material sich nicht in ausreichendem Maße ausdehnen kann.

Das Gericht entschied vorliegend, dass auf jeden Fall ein Mangel vorliegt und zwar selbst dann, wenn die Arbeit als solche den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Dies liege daran, dass bei der Ausführungsart die Gefahr besteht, dass der Auftraggeber die Herstellergarantie verliert. Auch ein festgestelltes abweichendes Fugenbild von dem geschuldeten Fugenbild sei auf diese fehlerhafte Befestigung zurückzuführen.

Die Herstellerangaben sind nicht immer das Maß der Dinge. Nicht jede Abweichung von den Herstellerangaben führt automatisch zu einem Mangel, wenn die alternativ gewählte Ausführung den anerkannten Re-geln der Technik entspricht.

Ein Abweichen von den Herstellerangaben stellt aber dann einen Mangel dar, wenn eine der nachfolgend beschriebenen Fallgestaltungen vorliegt:

  1. Haben die Parteien die Herstellerangaben und deren Einhaltung vertraglich vereinbart, insbesondere durch Bezugnahme im Rahmen der Leistungsverzeichnisse, sind sie zur vertraglich vereinbarten Beschaffenheit geworden (OLG Celle, IBR 2008, 643).
  2. War dem Auftraggeber die Einhaltung der Herstellervorgaben erkennbar besonders wichtig, so kann sich auch hieraus ergeben, dass diese als vertraglich vereinbarte Beschaffenheit einzuhalten sind (OLG Schleswig, IBR 2004, 683), wobei es hierfür keine gesetzliche Vermutung gibt (OLG Jena, IBR 2009, 134.
  3. Stellen die Herstellervorgaben die anerkannten Regeln der Technik dar, so sind sie ohnehin einzu-halten, weil die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik immer geschuldet ist. Insofern gel-ten deren Einhaltung als bei Vertragsabschluss stillschweigend zugesichert (BGH, IBR 2011, 399).
  4. Entstehen aus der Nichteinhaltung der Herstellervorgaben Risiken oder betreffen sie die Sicherheit der Anlage, ist deren Einhaltung ebenfalls geschuldet, weil es sich dann um Eigenschaften handelt, die der Auftraggeber nach der Art des Werkes erwarten darf (BGH, IBR 2009, 511).
  5. Drohte zulasten des Auftraggebers bei Nichteinhaltung der Herstellervorgaben der Verlust der Her-stellergarantie, so sind die Herstellervorgaben ebenfalls einzuhalten (OLG Brandenburg, IBR 2011, 455).