OLG Koblenz, Urteil vom 6.11.2014, Aktenzeichen 6 U 245/14

Ein öffentlicher Auftraggeber beauftragte den Auftragnehmer mit der Erneuerung eines Daches an einem Bestandsgebäude. Als die Arbeiten begonnen werden stellt der Unternehmer fest, dass das Bestandsgebäude über ein sogenanntes Kiespressdach verfügt, von dem er nicht ausgegangen war und welches im Leistungsverzeichnis auch nicht beschrieben war. Dessen Entsorgung ist mit erheblichen Mehrkosten verbunden.

Der Unternehmer machte daher einen Nachtrag geltend. Der Auftraggeber lehnte dies sind definitiv ab und erklärte, er sei nicht bereit für diese zusätzliche Leistung irgendetwas zu bezahlen. Daraufhin stellte der Unternehmer seine Arbeit ein. Der Auftraggeber forderte ihn auf unter Androhung der Auftragsentziehung die Arbeiten fortzusetzen. Nachdem der Unternehmer die Arbeiten nicht fortsetzte, kündigte der Auftraggeber den Auftrag.

Anschließend machte der Auftraggeber die erhöhten Kosten der Ersatzvornahme mit 30.000 € geltend.

Das Gericht wies die Klage ab. Dabei führt es in seiner Entscheidung aus, dass grundsätzlich bei Streitigkeiten über Nachtragsforderungen der Auftragnehmer nicht berechtigt ist, seine Tätigkeit einzustellen. Aufgrund der Kooperationspflicht seien die Parteien vielmehr verpflichtet alles Erforderliche zu tun, um eine Regelung hierüber herbeizuführen.

Nur im Ausnahmefall bestehe ein Leistungsverweigerungsrecht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, wenn dem Unternehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Fortsetzung seiner Leistung nicht zumutbar ist.

Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Auftraggeber sich endgültig weigerte, eine zusätzliche Leistung zu vergüten und wenn diese zusätzliche Leistung nicht nur unerheblich von der ursprünglich geschuldeten Leistung abweicht.

Achtung! Die Einstellung der Arbeiten ist immer das allerletzte Mittel. In aller Regel ist dies mit extrem hohen Risiken verbunden. Denn zum Zeitpunkt der eintretenden Situation müssen definitiv durch den Unternehmer folgende Fragen beurteilt werden:

•    Ist die zusätzliche Leistung in der geschuldeten Leistung bereits enthalten?
•    Wie ist das Leistungsverzeichnis insoweit auszulegen? Beinhaltet dies die zusätzliche Leistung eventuell doch?
•    Handelt es sich um einen wesentlichen Nachtrag, d.h. ist die Wesentlichkeitsgrenze überschritten?
•    Liegt hier möglicherweise ein aufklärbarer Rechtsirrtum des Auftraggebers vor?
•    Liegt wirklich eine endgültige und ernsthafte Weigerung des Auftraggebers vor den Nachtrag zu vergüten?

Dies alles sind Fragen, die im Stadium der Bauabwicklung durch den Unternehmer zuverlässig beantwortet werden müssen, obwohl dieser noch nicht prognostizieren kann, wie diese Themen eventuell zu einem späteren Zeitpunkt durch ein Gericht beurteilt werden. Jedenfalls ist hier ein hohes Maß an Dokumentation erforderlich und grundsätzlich sollte von der Einstellung der Arbeiten nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn derartige Fragen mit aller Deutlichkeit und völlig eindeutig beantwortet werden können.