BGH, Beschl. v. 11.10.2017 – VII ZR 46/15

Sachverhalt

Zwischen einer Gemeinde und einem Bauunternehmen kam ein Vertrag über Fensterbauarbeiten sowie die Er-richtung der Glasfassade einer Sporthalle zustande. Die VOB/B wurde zwischen den Parteien wirksam einbezo-gen. Noch während der Bauausführung beanstandete die Gemeinde mit Schreiben vom 29.03.2017 das Fehlen statischer Nachweise und die unzulässige Verwendung von Riffel-Dübeln aus der Holzart Buche. In diesem Schreiben setze die Gemeinde dem Werkunternehmer zugleich eine Abhilfefrist und drohte für den fruchtlosen Ablauf der Abhilfefrist die Kündigung des Bauvertrages an. Mit einem weiteren Schreiben vom 12.04.2007 forder-te die Gemeinde den Werkunternehmer unter Fristsetzung und Kündigungsandrohung zur Vorlage bestimmter Nachweise sowie eines Bauzeitenplans auf. Nachdem die Frist abgelaufen war, kündigte die Gemeinde den Bau-vertrag am 18.04.2007 und stützte sich hierbei auf die im Schreiben vom 12.04.2007 aufgeführten Beanstandun-gen. Die Gemeinde verlangt nun gerichtlich vom Werkunternehmer 600.000 € Schadensersatz. Der Werkunter-nehmer erhebt Widerklage in Höhe von 450.000 Euro wegen ausstehendem Werklohn für die von ihm unstreitig erbrachten Leistungen.

Rechtliches

Der BGH gibt der Gemeinde Recht. Selbst wenn die im Schreiben vom 18.04.2007 geforderten Unterlagen nicht geschuldet gewesen seien, durfte die Gemeinde die Kündigungsgründe aus dem Schreiben vom 29.03.2007 zur Begründung der Kündigung nachschieben. Dies gilt jedoch nur für Gründe, die zum Zeitpunkt der Kündigung noch vorliegen. Zumindest einer der im Schreiben vom 29.03.2007 gerügten Mängel lag im Zeitpunkt der Kündigung noch vor. Nachdem auch die formellen Voraussetzungen der Kündigung, d.h. Fristsetzung mit Kündigungsandro-hung, vorgelegen haben, ist die Gemeinde im Prozess berechtigt gewesen, die Kündigung nachträglich auf die im Schreiben vom 29.03.2007 aufgeführten Mängel zu stützen.

Praxishinweis

Zu einer wirksamen außerordentlichen fristlosen Kündigung gehört im VOB/B-Vertrag nicht nur die Fristsetzung und Kündigungsandrohung, sondern darüber hinaus auch die zeitnahe Kündigung nach Fristablauf (vgl. § 314 Abs. 3 BGB). Dies bedeutet, dass der Kündigungsberechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen kann, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Wie lange diese Frist ist, hängt vom jeweiligen Ein-zelfall ab.