BGH, Urteil vom 23.11.2017, Aktenzeichen VII ZR 34/15
Sachverhalt:
Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Erstellung eines Mehrfamilienhauses nebst Tiefgarage zu einem Pauschalfestpreis.
Da es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten kommt, verlangt der Auftragnehmer vom Auftraggeber eine Sicherheit nach § 648 a BGB in Höhe von ca. 30 Millionen €. Das Sicherheitsverlangen datiert vom 28.09.2011, die Fristsetzung zur Beibringung der Sicherheit erfolgte zum 07.10.2011. Am 06.10.2011 forderte der Auftraggeber eine Fristverlänge-rung bis zum 28.10.2011 und kündigte an, die Sicherheit zu erbringen. Daraufhin kündigt der Auftragnehmer am 12.10.2011 und mit weiterem Schreiben vom 20.10.2011 den Auftrag, weil die Sicherheit innerhalb der vom Auftrag-nehmer gesetzten Frist nicht erbracht worden sei. Der Auftraggeber fordert den Auftragnehmer daraufhin mit Schrei-ben vom 26.10.2011 auf, die Arbeiten wieder aufzunehmen und droht seinerseits die Kündigung des Vertragsverhält-nisses an. Der Auftragnehmer weigert sich die Arbeiten fortzuführen, sodass der Auftraggeber am 07.11.2011 die Kündigung seinerseits erklärte.
In dem nachfolgenden Rechtsstreit führt der Auftraggeber aus, der Auftragnehmer habe in Wirklichkeit keine Sicher-heit haben wollen, sondern ihn, den Auftraggeber nur unter Druck setzen wollen. Er habe sich vom Vertrag lösen wol-len. Es läge ein Fall des Verstoßes gegen Treu und Glauben vor, weshalb die ausgesprochene Kündigung wegen un-zulässiger Rechtsausübung unwirksam sei. Außerdem sei die gesetzte Frist zu kurz gewesen.
Entscheidung:
Der BGH erklärte hierzu in seiner Entscheidung, dass der Auftragnehmer immer die Sicherheit nach § 648 a BGB (nach neuen Bauvertragsrecht: § 650 f BGB) verlangen könne und zwar in jedem Stadium einer Auseinandersetzung und in jeder Phase des Bauvorhabens. Welche Motive hierfür zugrunde liegen würden, sei nicht relevant. Selbst wenn auch andere Motive vorliegen würden als die bloße Erlangung einer Sicherheit steht dies der Wirksamkeit des Siche-rungsverlangens nicht entgegen.
Zur Frage, ob die Kündigung des Auftragnehmers wirksam ist oder nicht, komme es darauf an, ob die vom Auftrag-nehmer gesetzte Frist von 2 Wochen angemessen sei. Dies sei allerdings nur aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Der BGH hat hierzu im konkreten Fall keine Entscheidung getroffen, sondern zur weiteren Sachaufklärung an das Oberlandesgericht Frankfurt zurückverwiesen.
Praxishinweis:
In der Regel wird bei normalen Bauvorhaben eine Frist von 2 Wochen zur Beibringung einer Sicherheit ausreichend sein. Bei besonders großen Bauvolumen könnte sich ergeben, dass man diese Frist etwas länger ansetzen muss. Mehr als 3 Wochen wird man aber wohl nicht ansetzen müssen. Maßgeblich für die Frist ist immer der Zugang des Si-cherungsverlangens (welcher durch den Auftragnehmer nachzuweisen ist). Eine zu kurz gesetzte Frist setzt immer ei-ne angemessene Frist in Gang. Im vorliegenden Fall könnte die am 12.10.2011 ausgesprochene Kündigung unwirk-sam sein, weil die angemessene Frist noch nicht abgelaufen ist. Denn hier war nicht einmal eine Frist von 2 Wochen eingehalten. Wenn diese Kündigung unwirksam war, entfaltet sie keine Wirkung mit der Folge, dass der Vertrag weiter besteht. Es wurde aber eine weitere Kündigung mit Schreiben vom 20.10.2011 ausgesprochen und diese Kündigung dürfte wohl nach Ablauf einer angemessenen Frist wirksam sein, wenn im vorliegenden Fall keine Besonderheiten vorliegen, was diesseits nicht bekannt ist.
Beantragt der Auftraggeber die Verlängerung einer derartigen Frist um wenige Tage sollte man sich überlegen, ob man das Risiko einer unwirksamen Kündigung eingeht oder diese Fristverlängerung gewährt. Im vorliegenden Fall halten wir aber eine Fristverlängerung bis zum 28.10.2011, wie vom Auftraggeber gefordert, für zu lang und der Auf-tragnehmer war aus unserer Sicht nicht verpflichtet, eine Frist von dann immerhin insgesamt 4 Wochen zur Beibrin-gung der Sicherheit einzuräumen.