OLG München, Beschluss vom 04.04.2013, Aktenzeichen Verg 4/13

Im vorliegenden Fall erfolgte eine Ausschreibung für Brückenbauarbeiten. Der Beschwerdeführer lag mit einer Auftragssumme von 1 Million € an erster Stelle. Dabei kalkulierte er Leistungspositionen für Betonstahl und Spannstahl mit sehr niedrigen Einheitspreisen. Er räumte ein, dass er diese Position mit Verlust kalkuliert habe.

Dieses Angebot veranlasste den Auftraggeber, die Ausschreibung und das Leistungsverzeichnis zu überprüfen. Dabei wurde festgestellt, dass richtigerweise statt 35 t Betonstahl nur 18 t hätten ausgeschrieben werden dürfen und statt 25 t Spannstahl nur 17 t. Unter Berücksichtigung dieser neuen Massen hat der Auftraggeber dann sämtliche Angebote neu berechnet und gelangt zu einem fiktiven Mehrpreis im vom Bieter abgegebenen Angebot von 44.000,00 €, was dazu führt, dass dieser an zweiter Stelle liegt. Der Auftraggeber hebt daraufhin die Ausschreibung auf, weil er der Auffassung ist, dass die abgegebenen Angebote nicht dem Wettbewerb entsprechen würden.

Der Bieter beantragt bei der Vergabekammer die Aufhebung dieser Aufhebung. Der Antrag wurde von der Vergabekammer zurückgewiesen, wogegen der Bieter sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht München eingelegt hat. Die Vergabekammer hatte ihre Entscheidung damit begründet, dass sich der Bieter als unzuverlässig erwiesen habe, weil er offensichtlich die Unzulänglichkeiten des Leistungsverzeichnisses erkannt habe. Hierauf hätte er hinweisen müssen. Die Tatsache, dass er diesen Hinweis nicht abgegeben habe, führe ohnehin zu seinem Ausschluss. Daher könne er auch gegen die Aufhebung der Ausschreibung nicht vorgehen.

Diese Auffassung teilte das Oberlandesgericht nicht. Bemerkenswert ist, dass das Gericht hierzu ausführte, dass das Erkennen und Ausnutzen von Unstimmigkeiten im Leistungsverzeichnis zwar zu einem Wettbewerbsvorteil bei der Kalkulation führen könne, diese Möglichkeit bestünde jedoch für jeden Beteiligten und rechtfertigt grundsätzlich nicht den Ausschluss des Bieters wegen Unzuverlässigkeit. Außerdem sei der Bieter grundsätzlich nicht verpflichtet, auf Fehler im Leistungsverzeichnis hinzuweisen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn eine derartige Hinweispflicht in den Bewerbungsbedingungen festgehalten sei. Da dies vorliegend nicht der Fall sei, sei die Ausschreibung auch nicht aufzuheben, weil die Massenabweichungen so gering seien, dass eine Aufhebung der gesamten Ausschreibung durch diese Massenabweichungen nicht gerechtfertigt sei.