OLG Schleswig, Urteil vom 09.12.2011 – 1 U 72/11

Zwischen einem AG und einem AN bestand ein VOB-Werkvertrag. Der AN meldete Insolvenz an. Daraufhin kündigte der AG den Vertrag nach § 8 Abs. 2 VOB/B und weigerte sich, eine vom AN gestellte Vertragserfül-lungsbürgschaft an den AN herauszugeben. Zu prüfen war, ob die ausgesprochene Kündigung als Kündi-gung aus wichtigem Grunde wirksam war oder nicht. Fraglich konnte dies vorliegend sein, weil nach der In-solvenzordnung der Insolvenzverwalter das Recht hat zu entscheiden, ob er bezüglich bestehender Verträge die Erfüllung wählt, oder ob der Vertrag beendet wird. Dieses Wahlrecht wird dem Insolvenzverwalter aber genommen, wenn es dem AG zuvor bereits frei steht, den Vertrag nach § 8 Abs. 2 VOB/B zu kündigen. Da-mit stellt sich die Frage, ob diese Regelung der VOB/B gegen gestzliche Bestimmungen verstößt und damit nichtig ist.

Das OLG verneinte diese Frage und hält die Kündigung gem. § 8 Abs. 2 VOB/B für wirksam. Begründet wird dies damit, dass das Wahlrecht des Insolvenzverwalters ein eröffnetes Insolvenzverfahren voraussetze, wel-ches im Insolvenzantragsverfahren noch nicht bestehe. Außerdem könne die Insolvenzordnung nicht die ge-setzlichen Rechte eines Auftraggebers ohne weiteres einschränken. Der AG sei schon bei bestehendem Vermögensverfall seines Vertragspartners berechtigt, aus wichtigem Grunde den Vertrag zu kündigen, weil ihm eine Fortsetzung nicht zumutbar sei, wenn bei einem insolventen AN zukünftig noch weitere nicht uner-hebliche Vermögensdispositionen zu treffen seien. Gestützt werde dieser Gesichtspunkt durch das Gesetz-gebungsverfahren, in dem es der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Insolvenzordnung abgelehnt hat, sogenannte Lösungsklauseln in das Gesetz aufzunehmen, weil durch die Insolvenzordnung nicht in die grundsätzliche Vertragsfreiheit eingegriffen werden solle.

Hinweis:

Zu dieser Frage kristallisiert sich eine feste Linie in der Rechtsprechung heraus. Denn diese Entscheidung korrespondiert mit Entscheidungen des OLG Brandenburg, IBR 2010, 210 und des OLG Karlsruhe, IBR 2006, 398. Weiter gehen noch die Entscheidungen des OLG Bamberg, IBR 2011, 87 und OLG Düsseldorf, IBR 2006, 674, die auch gegen eine erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochene Kündi-gung keine insolvenzrechtlichen Bedenken haben.