Kündigung eines Werkvertrags -Beweislastverteilung
BGH, Urteil vom 05.05.2011 -VII ZR 181/10

Die Klägerin hatte mit dem Beklagten einen Vertrag über die Erstellung eines Ausbauhauses geschlossen.

Der Beklagte hatte den Vertrag gekündigt. Im Vertrag war in den allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart, dass im Falle der freien Kündigung 15 % als
Abstandszahlung zu leisten seien. Der BGH hatte zu entscheiden, ob diese Klausel wirksam ist. Im Ergebnis ist der BGH dazu gelangt, dass eine Abstandszahlung
von 15 % nicht zu beanstanden ist und auch nicht der gesetzlichen Regelung zuwider läuft.

Wesentlich ist in dieser Entscheidung jedoch, dass der BGH sich mit der Neufassung des § 649 BGB auseinandersetzt und mit der Beweislastverteilung. Vor Inkrafttreten der jetzigen Fassung, d.h. vor dem 1.1.2009 hatte der Unternehmer vorzutragen, wie hoch seine Vergütungsansprüche abzüglich ersparter Aufwendungen
nach erfolgter freier Kündigung sind. Er hatte die so genannte sekundäre Darlegungslast. Der Auftraggeber hatte den Nachweis zu führen, wenn er behauptete, der Auftragnehmer hätte sich höhere Aufwendungen erspart.

Durch Einfügung des § 649 Satz 3 BGB hat der Gesetzgeber die Vermutung aufgenommen, dass dem Unternehmer 5 % der auf den noch nicht erbrachten Teil der
Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen. Aufgrund dieser gesetzlichen Vermutung wurde in der Literatur und der Kommentierung davon
ausgegangen, dass sich durch diese Vermutung die Regeln der Beweislast und Darlegungslast geändert hätten und der Unternehmer nun im einzelnen den
konkreten Nachweis führen muss, dass er sich nicht mehr Aufwendungen erspart hat, als er in Abzug gebracht hat.

Auch mit dieser Frage hat sich der BGH in der oben genannten Entscheidung auseinandergesetzt. Der BGH führt hierzu aus, dass mit der Aufnahme der Vermutung einer Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen in Höhe von 5 % der Gesetzgeber den Schwierigkeiten des Unternehmers hinsichtlich der sekundären
Darlegungslast Rechnung tragen wollte und ihm die Möglichkeit vereinfachen wollte, einen Vergütungsanspruch für nicht erbrachte Leistungen durchzusetzen.
5 % könnten in diesem Fall auch ohne eine Abrechnung des Vertrages geltend gemacht werden. Der Besteller, also der Auftraggeber könne aber den Nachweis
einer höheren Ersparnis führen. Daher steht diese Regelung auch nicht der Vereinbarung von höheren Pauschalsätzen entgegen.

Der BGH setzte sich im Rahmen der Entscheidung auch mit der Frage auseinander, ob höhere Pauschalen, die vereinbart würden, nicht gegen das Verbot des § 309
Nr. 12 a BGB verstoßen würden, nämlich in allgemeinen Geschäftsbedingungen die Beweislast umzukehren. Im Zuge dessen hat der BGH ausgeführt, dass es bei der früheren Beweislastverteilung bleibe. § 649 Satz 3 BGB enthalte keine von den sonstigen Regelungen des Gesetzes abweichende Beweislastverteilung zu Gunsten des Auftraggebers, die durch eine höhere Pauschale infrage gestellt würde. Der BGH führt aus, dass die Beweislast dafür, dass der Unternehmer höhere
Aufwendungen erspart hat als er behauptet, grundsätzlich der Auftraggeber bereits nach § 649 Satz 2 BGB trage. Wenn der Unternehmer daher eine den
Anforderungen entsprechende Abrechnung vorlege, sei es nach wie vor Sache des Bestellers darzulegen und zu beweisen, dass höhere Ersparnisse oder mehr
anderweitiger Erwerb erzielt wurden, als der Unternehmer sich anrechnen lässt.

Der BGH führt hierzu wörtlich aus:

„Die Pauschalierung erleichtert nicht die Beweislast, sondern die sekundäre Darlegungslast des Unternehmers.“

Dieser Entscheidung des BGH ist zu entnehmen, dass entgegen der zur Zeit wohl herrschenden Meinung sich durch die neue Formulierung des § 649 BGB die
früheren Regelungen über die Beweislast nicht geändert haben, sondern nach wie vor der Unternehmer die so genannte sekundäre Darlegungslast trägt, im Rahmen derer er vortragen muss, wie hoch die Vergütung war, welche Aufwendungen er sich aufgrund der Nichtdurchführung der Leistungen erspart hat bzw. welche anderweitigen Aufträge der durch die Kündigung des Auftrags nun hat ausführen können. Behauptet der Auftraggeber, der Auftragnehmer habe sich
höhere Aufwendungen erspart oder er habe andere Aufträge ausführen können, die er nur aufgrund der Kündigung des Vertrages ausführen konnte, so trägt er
hierfür die Beweislast.