Autor: Rechtsanwalt Dr. Michael Kögl,
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Verbraucher wie Unternehmer haben häufig eine falsche Vorstellung über die Bedeutung deutscher Industrienormen (kurz DIN). DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern nur private technische Regelungen mit Empfehlungscharak-ter. Sie können den anerkannten Regeln der Technik entsprechen, aber auch hinter diesen zurückbleiben. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits mehrfach klargestellt. Gleichwohl wird diese Tatsache leider selbst von „fachkundigen Personen“ nicht berücksichtigt. Vielmehr wird der Gehalt dieser Regelungen überschätzt, wie am Beispiel des Schall-schutzes akut zu sehen ist.

Das Ruhebedürfnis der Menschen wird immer größer. Daraus resultieren gestiegene Anforderungen an Bauwerke, die bei Planung und Bauausführung zu beachten sind. Überraschenderweise wird bei neuen Bauten häufig diesem Aspekt nicht Rechnung getragen. In der Praxis mehren sich Beschwerden, dass schallschutztechnische Ausführungen bisweilen schlechter seien als bei Wohnraum der Nachkriegszeit.

Regelungen zum Schallschutz finden sich beispielsweise in der DIN 4109. Weniger bekannt ist die VDI-Richtlinie 4100 oder andere technische Empfehlungswerke. Obwohl die Entwicklung weitergeht, versuchen Bauunternehmen bzw. Bau-träger aus Kostengründen noch heute einen Schallschutz umzusetzen, der auf der DIN aus dem Jahre 1989 gründet. Tatsächlich hat sich allerdings bereits vor über einem Jahrzehnt herausgestellt, dass die in der DIN genannten „norma-len“ Werte allenfalls den Mindestanforderungen zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen genügen. Weitergehenden Schallschutzanforderungen an Bauwerke, wie z. B. die Einhaltung eines üblichen Komfortstandards oder eines Zustan-des, in dem die Bewohner im allgemeinen Ruhe finden, werden die in der DIN 4109 (1989) genannten Mindestwerte nicht gerecht. Genau dies hat der Bundesgerichtshof am 14.06.2007 (AZ: VII ZR 45/06) entschieden und darauf hinge-wiesen, dass die in der DIN 4109 genannten Mindestwerte nicht als anerkannte Regeln der Technik gelten. Mit anderen Worten: Werden nur die Mindestanforderungen nach DIN 4109 (1989) umgesetzt, ist das Bauwerk mangelhaft.

Zudem ist an der DIN 4109 verwirrend, dass sie Mindestanforderungen in der Tabelle 3 regelt. Unkundige vermuten hin-ter dieser Nummerierung ein bereits gehobenes Niveau, obwohl dort nur Werte angegeben sind, die allenfalls vor unzu-mutbaren Belästigungen schützen. In DIN 4109 Beiblatt 2 wird ein „erhöhter Schallschutz“ ausgewiesen, was doppelt ir-reführend ist. Denn falsch ist der Rückschluss, dass die in der DIN geregelten Mindestwerte der Tabelle 3 den sog. an-erkannten Regeln der Technik, also dem scheinbaren Standard entsprechen. Ferner ermöglicht die Einhaltung der Werte des Beiblatts 2 nicht mehr als allenfalls einen üblichen Komfortstandard.

Bauunternehmer bzw. Bauträger verkennen, dass das Bauwerk auch mangelhaft bleibt, wenn in der Baubeschreibung ausdrücklich auf die DIN 4109 verwiesen wird. Denn der Unternehmer schuldet mindestens, dass sein Werk den aner-kannten Regeln der Technik entspricht. Diesen Standard kann er nur unterschreiten, wenn er den Auftraggeber darauf ausdrücklich hinweist und deutlich erklärt, welche konkreten Auswirkungen dies hat. Derartiger Hinweise bzw. Aufklä-rungen fehlen verständlicherweise regelmäßig, da dann das Objekt unverkäuflich wäre.