Unwirksamkeit einer Kündigung bei vollständiger Zahlung des Mietrückstandes nur durch Ausgleichung vor Zugang der Kündigungserklärung möglich
BGH, Urteil vom 27.09.2017 – VIII ZR 193/16 (LG Potsdam)

Sachverhalt

Zwischen den Parteien bestand ein langjähriger Mietvertrag über eine Zweizimmerwohnung. Der Mieter hatte eine monatliche Miete zuzüglich einer Vorauszahlung auf die Betriebskosten zu leisten. Der Vermieter wurde vom Mieter im September zur Erneuerung des sich in der Wohnung befindlichen Teppichbodens bis Oktober aufgefordert, da dieser abgenutzt und stellenweise schadhaft war. Für den Fall, dass dieser Teppichboden nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist ausgetauscht werde, kündigte der eine Mietminderung in Höhe von 15 % an. Zudem kündigte der Mie-ter für den nächsten Monat eine weitere Mietminderung in Höhe von 20 % an, da die über ihm wohnenden Mieter Raumspray in die geöffneten Fenster der Wohnung des Beklagten sprühen würden. Der Vermieter wies die Mietmin-derungen zurück und kündigte an, dass die Erneuerung des Teppichbodens ab dem 01.12.2014 erfolgen werde. Zu einem Austausch des Teppichbodens kam es jedoch nicht, da der Mieter die von dem Vermieter angebotenen Termi-ne hierfür ablehnte. Für die Monate Oktober bis zum darauffolgenden Januar zahlte die teilte der Mieter nur einen verminderten Mietzins. Zwar wurden im Januar sowie im März teilweise nach Zahlung geleistet. Diese konnten jedoch den insgesamt angelaufenen Zahlungsrückstand von mehr als einer Monatsmiete nicht vollständig ausgleichen. Im März sprach der Vermieter daher die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zah-lungsverzugs aus und leitete im Anschluss ein Räumungsverfahren ein. Das Amtsgericht verurteilte den Mieter zur Räumung der Wohnung wogegen dieser mit Erfolg Berufung einlegte. Gegen das Berufungsurteil legte der Vermieter erfolgreich Revision ein.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes, hatte zuvor das Amtsgericht zu Recht den Mieter zur Räumung verurteilt. Das Mietverhältnis war hier wegen Zahlungsverzugs kündbar. Der Rückstand des Mieters betrug mehr als die Miete für ei-nen Monat und war nicht durch Mietminderungen gerechtfertigt. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass der Mie-ter den Rückstand auch nicht bis zum Zugang der Kündigung beglichen habe, so dass im Zeitpunkt des Kündigungs-zuganges das Kündigungsrecht noch bestand. Der Mieter wurde vom Gesetzgeber allein dadurch gestürzt, dass er bis zur Kündigung den Rückstand vollständig ausgleichen kann. Er folgt ein vollständiger Ausgleich des Rückstandes da-her vor Zugang der Kündigung, ist eine Kündigung unwirksam. Nachdem ein solcher Fall hier nicht vorlag, war dem Mieter zur Räumung zu verurteilen.

Rechtliches

Der Bundesgerichtshof führt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung fort. Der Gesetzgeber habe im § 543 BGB eine Wertung getroffen, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter jedenfalls dann un-zumutbar ist, wenn sich der Mieter in zwei aufeinanderfolgende Termine mit mehr als einer Monatsmiete in Verzug befindet. In einem solchen Fall ist der Vermieter allein aufgrund des Verzugs zur fristlosen Kündigung berechtigt, oh-ne dass es noch eine Abwägung zwischen Mieter- und Vermieterinteressen bedarf. Der Mieter wurde vom Gesetzge-ber allein dadurch geschützt, dass er bis zur Kündigung den Rückstand vollständig begleichen kann. Liegt jedoch im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dem Vermieter zur Kündigung berechtigter Zahlungsrückstand vor, so ist die Kündigung wirksam.

Praxishinweis

Der Mieter läuft mithin Gefahr bei zu hohem Einbehaltung der Miete fristlos wegen Zahlungsverzugs gekündigt zu werden. Meint der Mieter, dass er aufgrund eines Minderungsrechtes lediglich zur Anweisung eines verringerten Miet-zinses berechtigt sei, so sollte er, um dem Risiko einer Kündigung zu entgehen, die Miete unter dem Vorbehalt der Rückforderung an den Vermieter in voller Höhe zahlen. So verbleibt ihm die Möglichkeit eine gerichtliche Klärung sei-ner Rechte herbeizuführen, ohne dem Risiko einer fristlosen Kündigung ausgesetzt zu sein. Stellt sich daher im Ver-fahren heraus, dass der Mieter zur Mietminderung berechtigt war, so steht ihm ein Anspruch auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Mietzinses zu.

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