Wann müssen im selbständigen Beweisverfahren Fragestellungen erfolgen?
BGH Urteil vom 11.06.2010, V ZR 85/09
Zwischen den Prozessparteien war vorbereitend für den Prozess ein selbstständiges Beweisverfahren geführt worden. In diesem Verfahren sollte geklärt werden, ob Mängel an einem Werk vorliegen. Der Antragsgegner stellte im selbständigen Beweisverfahren keine Fragen mehr an den Sachverständigen. Als der Antragsteller gegen den Antragsgegner Klage erhob, wandte der Beklagte ein, die Feststellungen des Sachverständigen seien unzutreffend und stellte einen Fragenkatalog zur Beantwortung durch den Sachverständigen auf.
In der Rechtsprechung war umstritten, ob eine derartige Fragestellung noch zulässig ist oder ob diese Fragestellung wegen Verspätung ausgeschlossen werden kann. Hierzu gab es unterschiedliche Urteile der Oberlandesgerichte. Der BGH führte hierzu aus, dass die unterbliebene Fragestellung im Beweisverfahren zunächst auf die Beweislast keine Auswirkungen hat. Hier läge lediglich ein Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht vor, welche aber keine Auswirkungen in materiell-rechtlicher Hinsicht habe, so dass eine Umkehr der Beweislast hiermit nicht verbunden sei. Die unterbliebene Fragestellung könne aber wegen Verstoßes gegen die Prozessförderungspflicht dazu führen, dass eine Partei im nachfolgenden Rechtsstreit mit Einwendungen gegen das Gutachten verfahrensrechtlich ausgeschlossen ist.
Empfehlung:
Es ist jedenfalls zu empfehlen, im selbständigen Beweisverfahren alle Fragen zu stellen, die evident erscheinen. Sollte sich später herausstellen, dass sich im Prozessverfahren eine neue Situation darstellt, mit der im selbständigen Beweisverfahren nicht zu rechnen war, wird auch eine Zurückweisung wegen Verspätung nicht in Betracht kommen. Allerdings sollte man hier den sichersten Weg gehen und vorsorglich den Fragenkatalog im selbständigen Beweisverfahren möglichst komplett formulieren.